Matthias Maaß

Ohne Titel (3.4.1992)

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Die Idee, Konzeption und Umsetzung basiert auf einer Kooperation zwischen der Matthias Maaß Collection und der ARTTRD.

Dein ARTTRD Team aus Heidelberg

Kurzinfo

Künstler

Titel

Jahr

Material / Technik

Größe

Epoche / Stil

Werksverzeichnis

Matthias Maaß

Ohne Titel (3.4.1992)

1992

Mischtechnik auf Papier

70 x 50 cm

Contemporary / Art Brut

MMC-1992-4.3

Über „Ohne Titel (3.4.1992)“

Dicke schwarze Linien bestimmen das gesamte Werk “Ohne Titel” von Matthias Maaß- aus ihnen entspringen teils schemenhafte, teils erkennbare Figuren. Die vordergründige Person lächelt und erhebt die Hand wie zum Gruße. Um sie herum bauen grobe und feine Striche in schwarzer Tusche einen von Bewegung erfüllten Hintergrund. Zur klaren Abgrenzung und Fokussierung hierauf nutzte der Künstler weiße Farbe, mit der er schichtend die größeren Flächen hell von der Umgebung abhebt.

Die reduzierte Farbwahl gleicht stilisierten Schwarz-Weiß-Filmen mit überzogener und charmanter Gestik. Während die feinen Linien der Darstellung Sanftheit verleihen, verleiht die textuelle Schichtung dem Werk in eine Wahrnehmung, die auf mehreren räumlichen Ebenen stattfindet.

“Ohne Titel (3.4.1992)” lässt sich den “Tusche-Zeichnungen mit Aquarell” zuordnen.

Tusche-Zeichnungen mit Aquarell

Die Werkgruppe der Tusche-Zeichnungen mit Aquarell sind sehr typisch für Maaß. Sie fallen zum Teil  etwas wilder aus und zeugen auch immer wieder von seiner Liebe zum Experiment mit Material in der Zeichnung: zum Beispiel Glitzer-Stifte, bevorzugt in Gold oder Silber, die er aus primär ästhetischen Gründen mit einbringt, weil er sie eben schön findet.

Matthias Maaß

Matthias Maaß ist 1958 in Heidelberg geboren. Nach dem halbjährigen Versuch eines Studiums durchlebt er mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie, wo er zunächst aus therapeutischen Aspekten zum Zeichnen angeregt wird. Hieraus entwickelt sich bald ein eigener Stil und Maaß kann in den 80er Jahren erste Ausstellungserfolge verzeichnen, u.a. in der Städtischen Galerie Schwäbisch Hall, damals unter der Leitung von Rainer René Mueller, der ein wichtiger Freund und Förderer wird.

Maaß war bekannt als ein Künstler, der beinahe unermüdlich gearbeitet hat. „Nulla dies sine linea – kein Tag ohne Linie“, diesen Satz aus der Historie Naturalis von Plinius hatte Paul Klee 1938 in seinen Euvrekatalog unter die Zeichnung ,Süchtig‘ notiert – diesem Credo „jeden Tag ein Bild“ zu schaffen folgte auch Matthias Maaß.

Und das muss man sich weniger vorstellen, wie jemand, der sich in festen Zeiten dazu entschließt, in strukturierten Abläufen zu schaffen, sondern eher wie einen Künstler, den Ideen und Inspirationen gepackt haben und der in Serien, zum Teil eine ganze Nacht hindurch wie ein Getriebener gezeichnet hat – ein Umstand, der sich in oftmals präziser Notation von Datum und Uhrzeit auf dem Papier niederschlägt.

Maaß‘ Arbeitsweise zeugt von schnellen, aber ganz entschiedenen Gesten. Die Linien, die er auf Papier setzte, waren zunächst immer eher abstrakte, arabeske Gebilde, aus denen sich dann wie selbstverständlich Figuren, Köpfe, ganze Szenerien herauskristallisieren – beinahe als wären diese immer schon da gewesen. Zu den Tuschezeichnungen setzte er gerne Akzente mit Aquarellfarben, die oft nass in nass aufgetragen wurden, und spannungsreiche Kontraste zu den dezidierten Konturen der Tuschelinien bilden.

Interessant ist sicherlich auch noch, dass das Zeichnen selbst für ihn durchaus ein Akt physischer Anstrengung war, erkennen kann man dies an den Verläufen der Linien, die oft eckig und kantig, nie vollkommen flüssig sind und offenbar in Auseinandersetzung mit dem Widerstand des Papiergrundes ihre Bahnen ziehen. 

Technisch gesehen war Maaß ein Autodidakt, er hat sich seine Fähigkeiten über viele Jahre hinweg selbst erarbeitet, indem er immer wieder zeichnete und durch diese Kontinuität einen ganz eigenen Stil entwickeln konnte, dessen charakteristische Merkmale sich anhand einiger Werkgruppen nachvollziehen: Tages- und Kopfbilder, Rasterbilder, Tuschezeichnung, Kohlezeichnung, Tusche-Zeichnungen mit Aquarell.

Maaß sah sich selbst als Forscher und Suchenden. Seine Bilder besitzen eine kontemplative Aura, ein eigenes Mysterium und offenbaren bei jedem Betrachten neue Ebenen der Wahrnehmung.

Sein zeichnerisches Schaffen war facettenreich. Während seine „Tagesbilder“ eher eine Dokumentation seiner aktuellen Gefühlswelt darstellten, resultierten seine komplexeren Rasterbilder aus wochenlanger Auseinandersetzung mit tiefgründigen Themen.

Bekannt war Maaß auch für seine Psychiatrie-Erfahrung. Einige seiner Werke, darunter das beeindruckende Gemälde „Das Toten-mahl“ von 1992, befinden sich in der Sammlung Prinzhorn am Heidelberger Universitätsklinikum.

Mit erstaunlicher Ausdauer und Intensität schuf er Werke, die oft in nächtlichen Serien entstanden und den Betrachter in unergründliche Innenwelten entführten.

Leider verstarb Matthias Maaß am 18. Mai 2019. Doch sein reichhaltiges, tiefgründiges und vielfältiges Werk bleibt und zieht den achtsamen Betrachter immer wieder aufs Neue in seinen Bann.